Prickelndes Leben

Brauchen wir Drama, brauchen wir es wirklich? Und wenn ja – wozu eigentlich? Das Leben ist doch viel zu kurz für diese innere Unruhe.

Drama im Sinne von Spannung & Aufregung kommt heutzutage aber nicht im 5-Akt-Schema mit einem einzigen Höhepunkt daher, sondern als Sinus-Funktion, die viele Ausschläge Richtung y-Achse hat. Dieses ewige Rauf und Runter der Kick-Kurve lässt uns unter Strom stehen. Das Blut muss rauschen, der Körper zucken, die Stimmung muss gehalten werden. Denn wer steht schon auf kuschelige Wellness-Beziehungen, auf Jasager und die Weichspül-Welt der Rosamunde Pilcher-Filme? Irgendwann steigt uns dieser ganze Heititeiti zu Kopfe und wir sehnen uns wieder nach weltlichem Realitätsbezug. Drama und Tränen gehören da eben ein bisschen mit dazu; die menschliche Seele braucht wohl all die Irrungen und Wirrungen, um die Harmonie auch tatsächlich schätzen zu können. Temperament und Leidenschaft sind tief im Inneren unsere Lebenselixiere. Sie sind es, die uns von Maschinen unterscheiden. Sie sind es, die uns zu neugierigen und interessanten Wesen machen. Commitment und honigsüße Harmonie ohne Distanz stehen uns da im Weg – nach oben.

Wir Menschen, die wir alle Verstand haben, wollen hoch hinaus – kometenhaft, und landen doch am anderen Ende – im Schlund, angelockt von den Sirenen. Und in Nullkommanichts sind wir wieder in der Wirklichkeit angekommen. Wir denken über sowas nach, wie man glücklich wird – also in all seiner Gigantomanie.

Wir sind auf der Suche nach dem Gral des Lebens – voll und üppig bitteschön. Ohne Kompromisse und in einem Korsett von Erwartungen wollen wir uns davon auch nicht betrinken. Im Rausch lassen wir unsere innere Wildkatze von der Leine, um dann gleich wieder wie Goethes Faust im Fluss des Vergessens zu baden. Es ist uns ein Vergnügen, zu abstrakten Gedankengängen zu kommen, um uns mental auf Touren zu bringen. Wenn die Tunnelfahrt zu eng ist, brechen wir noch weiter aus, um die Breite der weiten Welt zu spüren.

Im Schutze der Stadt, der Anonymität testen wir verschiedene Seinsweisen, Masken, Rollen aus und manchmal fragen wir uns: Bin ich Mr. Jekyll oder Dr. Hyde? Wir wollen viel und genug reicht nicht aus. Wir versuchen unsere Parallelwelten gut zu balancieren. So wie ein komischer Clown oder ein Karnevalstyp, die immer bisschen drüber sind. Das Elend dieser Welt in all seinen Grautönen kann gerne mal mit Glitzer und Konfetti verdeckt werden. Over the top ist das Mantra! Und auf dem Weg zur Erlangung der ultimativen Weltformel können Spiel und Spaß unser Antrieb sein. Wehe dem, der vom call of duty ausgebremst wird.

Oft genug bewegen wir uns im Hamsterrad und verharren in ein und derselben Tätigkeit. Wir kennen alle den Mythos des Sisyphus. Nein!!! – So wollen wir nicht enden! Jeder Pep ist eine Einzahlung auf unser Erregungskonto, denn das Bausparkonto ist so immobil. Wir wollen uns bewegen und die Freiheit spüren, die Schönheit erkennen. Fassaden müssen prickeln und nicht bröckeln. Wir müssen scheitern, um zu leben, denn „wer ein Warum zum Leben hat, erträgt fast jedes Wie“ (Nietzsche).

Und ja: Lieber ein bisschen Rummel statt Rast, denn der Stillstand kommt rasender als angenommen. – Vorausgesetzt, Kants kategorischer Imperativ reist immer mit.