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Der Sound meiner Generation ist jener der Konjunktivverben, gepaart mit schwammigen Adverbien wie „eigentlich“ oder „möglicherweise“. In diesem hätte-, könnte-, müsste-, würde-, wäre- Modus denken wir, erahnen die uns auftuenden Möglichkeiten. Es geht dabei nicht um den Höflichkeitskonjunktiv, der beispielsweise in England obsessiv angewandt wird und mich jedes Mal so verzaubert, weil mir vorgegaukelte Freundlichkeit lieber ist als unverblümte schlechte Laune. Es ist einfach gut für die Seele und bierernst muss man diesen Höflichkeitsorgasmus auch nicht nehmen.

Ich spreche vom Konjunktiv II, der einem die Unfähigkeit zur Festlegung bescheinigt, eine Distanz zu Wünschen und Träumen impliziert. Die Ursache dafür auszumachen ist eine leicht zu bewältigende Sache. Es ist die Angst. Die Angst, die unsere Mutzone wie ein bleierner Schleier umhüllt. Die Angst, die Sicherheit aufzugeben, die (Halb-)Wohlfühlmatrix zu verlassen. Ja, Angst unterminiert ein Leben im Wohlfühl-Indikativ. Wir leben lieber im Wartemodus und glauben dann als vermeintlicher Kopfmensch doch noch an irgendwelche Wunder und höhere Mächte, die uns ein besseres Später bescheren könnten. Wir sind auch heillos überfordert mit der Welt der Möglichkeiten, denn theoretisch könnten wir alles sein: Bundeskanzler, Rockstar und Halbgott in weiß. Vielleicht auch alles irgendwie zusammen. Dieses Akkumulationsbegehren, das mit dem Adverb „mehr“, „mehr“, „mehr“ einhergeht, überfordert uns. Wir sind gestresst, immer die richtigen Entscheidungen treffen zu müssen. Doch aus unserer Froschperspektive sind die Optionen gar nicht mehr zu überblicken und die Kreuzung wirkt auf einen wie eine Qualle, deren Tentakeln bedrohend wirken. Ein falscher Move kann unser Leben negativ verändern – denken wir. Wir kalkulieren dabei mithilfe der Wahrscheinlichkeitsrechnung, um die Heilslösung zu bekommen. Doch wie soll man diese aufs Leben anwenden, wenn man sie im Matheunterricht schon nicht verstanden hat? Der postmoderne Mensch muss immer auf mehr verzichten, weil er mehr Möglichkeiten hat. Und ist dieses Bewusstsein vorhanden, kann man eigentlich gar nicht mehr ins ersehnte Glücksnirvana gelangen. „Der fertige Mensch ist die Summe seiner Entscheidungen“ besagt ein Sprichwort. Wow – diese Definition kann nun wahrlich Druck in einem auslösen.

Und ich frage mich: Was wäre in meinem Leben alles möglich gewesen? Am liebsten würde (Konjunktiv Irrealis) ich manchmal meine Feigheit sezieren, die mich in meinen Chancen ausbremste. Seitdem wir aufgeklärte Wesen sind, die im Kommunikationszeitalter ALLE, ja augenscheinlich alle möglichen Lebensentwürfe in bunt und mit Filter präsentiert bekommen, ist es aus mit der Harmonie zwischen Bauch, Herz und Hirn. Dieses Scheintrio in unserem Körper verträgt sich nicht wirklich, lässt uns nicht wirklich leben, denn Bauch und Herz sind noch nicht emanzipiert. Das Hirn behält die olympische Oberhand, die Souveränität aller Entscheidungen. Es hindert uns allzu oft vom „Unfreezing“, da es uns das Credo „never change a running system“ von oben in den Körper eintrichtert. Wie tricksen wir also die Ratio aus und können intuitiver handeln? – Durch einen unbändigen Glauben an uns selbst, und dadurch, dass wir das Leben als Herausforderung annehmen. Wir müssen akzeptieren, dass wir Rastplätze des Lebens nicht als erreichte Endstationen sehen, die sich gut, aber nicht paradiesisch anfühlen. Wir werden nie eine absolute Sicherheit über richtiges Handeln bekommen. Das Rationalitätsstreben unseres Entscheidungshandelns ist eine Farce. Die Menschen tun gut damit, ihren Weg zur Seligkeit über trial & error zu bestreiten, denn auch falsche Entscheidungen können die richtigen gewesen sein, einen vorwärtsbringen. Es sind gerade die uns angsteinflößenden Abwege, die uns Blasen an den Füßen bescheren, doch formen sie unser Profil.

Nach unendlichen Irrfahrten gelangte Odysseus schließlich auch zu seiner Identität, seinem Zielpunkt. Manchmal müssen wir unsere Sicherheit aufgeben, um Sicherheit zu bekommen.

Und klar: Nichts ist sicher, vorherbestimmt, aber irgendwie beeinflusst. Gene, Umstände, Zufälle, Glück bestimmen unser Leben. – Aber das ist ein anderes Thema.

Also – mehr Indikativ statt Konjunktiv – denn wir KÖNNEN, wir haben die Fähigkeit dazu!!!